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Bei Philips sind 75 Hertz mehr als 100

19 Februar 2002


Seit 1988 weiß der gut informierte TV-Konsument, dass die besseren Fernsehgeräte zur 100-Hertz-Klasse gehören. Damals brachten Philips und Grundig die ersten Geräte mit doppelter Bildwechselfrequenz und ich rief – in einer etwas voreilig formulierten Schlagzeile – “das Ende der Flimmerkiste” aus. Was 100 Hertz zuverlässig abstellt, ist das Großflächenflimmern, das man bei hellen Bildern gut sieht, vor allem wenn sie besonders groß sind oder man sie aus dem Augenwinkel betrachtet. Das Kantenflackern beseitigt die Verdoppelung der Bildwechselfrequenz nicht, dagegen hilft Progressive Scan oder eine bewegungsadaptive Anpassung, wie sie seit ein paar Jahren 100-Hz-Standard ist. Bleibt noch die Sache mit den Doppelkonturen, die entstehen, weil ein Objekt zweimal an der gleichen Stelle abgebildet wird, obwohl sich das Auge bewegt. Das lässt sich recht aufwändig beseitigen, wenn man Zwischenbilder errechnet, was Philips mit Digital Natural Motion macht (DNM, in Fernsehern, aber auch im DVD 1010). Um auch noch das Zeilenraster unsichtbar zu machen, müsste man entweder mit Progressive Scan arbeiten oder die Zeilenzahl erhöhen. Fernseher mit Progressive Scan sind aber auch nicht der Weisheit letzter Schluss, da man dann – zumindest bei PAL – wieder mit 50 Hertz arbeitet und das Großflächenflimmern wieder da ist. Das Gleiche gilt für die Verdoppelung der Zeilenzahl, wie Sony es mit DRC vorführt. Der Ausweg hieße nun zum Beispiel Bildröhre mit 64 kHz Ablenkfrequenz, da könnte man Progressive Scan mit 100 Hertz kombinieren. Solche Röhren sind aber für TV-Geräte nirgends in Produktion, sie wären auch viel zu teuer. Standard ist immer 32 kHz, wie bei 100 Hertz benötigt. Der Ausweg bei Pixel-plus ist nun, die Frequenz etwas zu reduzieren und im gleichen Maß die Zeilenzahl anzuheben: Statt 100 Hertz nur 75, was auch schon völlig flimmerfrei ist, und statt 576 Zeilen 768, womit das Zeilenraster wesentlich weniger sichtbar ist. Normalerweise würde 75 Hertz übel ruckeln, weil eine Bewegungsphase doppelt, die nächste aber nur einmal abgebildet werden. Das aber lässt sich dank Bildinterpolation (Digital Natural Motion) beseitigen.
Zu Pixel-plus gehört auch ein neues Interpolationsverfahren, das die Kantenübergänge wesentlich schärfer macht. Intern wird daher auch die Pixelzahl pro Zeile auf 2.048 heraufgesetzt. An Übergängen von Hell zu Dunkel oder umgekehrt wird hier nicht linear interpoliert, sondern so, dass keine Graustufen dazwischen entstehen. Damit gewinnt das Bild subjektiv an Schärfe, wenn auch nicht an Informationsgehalt. Auch an Kontrast und Schwarzwert hat man noch etwas gedreht, so dass das Ergebnis selbst skeptische Tester überzeugt. Nur die Geschichte von 2.048 Pixeln pro Zeile muss man nicht glauben. Denn keine Lochmaske bietet wesentlich mehr als 800 Öffnungen quer über den Schirm. Aber die Zahl macht sich halt toll. Bei NTSC arbeitet Pixel-plus übrigens mit 60 Hertz.
Und die Konkurrenz? Die ist natürlich jetzt unter Druck. Panasonic hat schon vor Jahren davon gesprochen, dass Progressive Scan mit 75 Hertz ideal für PAL-Fernseher wären (siehe auch mein leicht angejahrtes Spezial). Das braucht aber Röhren mit 48 kHz, macht die Geräte also recht teuer. Außerdem sind die Japaner auf Chip-Lieferanten angewiesen. Micronas (inklusive der Siemens/Infineon-TV-Abteilung) hat noch zur IFA bestritten, an 75-Hertz-Lösungen zu arbeiten, es fehlt auch die DNM-Technologie, mit der das erst möglich wird. Sony hat mit DRC ein ähnliches System, das aber nur zwischen doppelter Zeilenzahl und doppelter Bildwechselfrequenz umschaltbar ist. Die Zwischenstufe, die einigen Sinn macht, fehlt selbst in der Euro-Version DRC-MF.
Und wenn der Kunde im Laden fragt, ob der Philips-Fernseher auch 100 Hertz hat, kann der Verkäufer guten Gewissens ja sagen – das Gerät ist nämlich von 768 Zeilen/75Hertz auf 576 Zeilen/100 Hertz umschaltbar. Nur besser ist 100 Hertz nicht.
Quelle: Ulrich v. Löhneysen


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